Gut in Form: die Erfindung des Spritzgusses

Warum dürfen sich Elefanten und Billardspieler bei John Wesley Hyatt bedanken? Der US-Amerikaner entwickelte einen der ersten Kunststoffe der Welt und fertigte daraus später Billardkugeln, die das zuvor übliche Elfenbein ablösten. Und nicht zuletzt erfand er 1872 die allererste Spritzgieß-Maschine der Welt. Kunststoff und Spritzguss revolutionierten in den folgenden Jahrzehnten die Fertigungstechnik. Vor allem die Autoindustrie verwendet heute zahllose mittels Spritzguss produzierte Teile.

Der Spritzguss erobert die Welt

Unklar ist, ob Hyatts Zeitgenossen die Bedeutung der Erfindung bereits erahnen konnten – schließlich hatte die Technik zunächst noch ihre Tücken. Der Kunststoff für die ersten Billardkugeln war das Material „Zelluloid“, das später in der Filmindustrie Karriere machte (nicht unterschlagen soll werden, dass der Brite Alexander Parkes schon 1855 wichtige Vorarbeit geleistet hatte). Hyatt vermischte zur Zelluloid-Herstellung die pflanzlichen Grundstoffe Cellulosenitrat und Kampfer. Es heißt, dass die so produzierten Billardkugeln gelegentlich Funken sprühten, wenn sie zusammenstießen.

Schon bald schufen andere Erfinder Kunststoffe mit weniger explosiven Eigenschaften. Dennoch blieb der Einsatzbereich des Spritzgusses zunächst begrenzt. Knöpfe, Kämme, Halsketten und andere einfache Teile kamen aus den Spritzgießmaschinen des späten 19. Jahrhunderts. Erst ein deutscher Erfinder namens Arthur Eichengrün entwickelte die Technik 1919 entscheidend weiter. In den 1930er-Jahren fanden sich schließlich immer mehr kommerzielle Einsatzbereiche. Die kostengünstige Technik erlaubte die Massenproduktion von Haushaltswaren und Spielzeugen.

Bis nach dem Zweiten Weltkrieg dominierte die Kolben-Spritzgießmaschine, wie sie im Grundprinzip bereits im 19. Jahrhundert Verwendung fand. Erst ab Mitte der 1950er-Jahre wurde sie durch die fortschrittlichere Schnecken-Spritzmaschine abgelöst.

Wie funktioniert der Spritzguss?

Der Spritzguss ist heute das dominierende Verfahren zur massenhaften Herstellung von Kunststoffteilen. Dabei wird der noch formbare Kunststoff in ein Werkstück gepresst, wo er in der gewünschten Form erstarrt. Fachleute unterscheiden dabei drei verschiedene Grundtypen von Kunststoff: die besonders häufig eingesetzten Thermoplaste, ferner Duroplaste und Elastomere.

Beim Thermoplast-Spritzguss muss der Kunststoff zunächst in der Spritzgussmaschine erhitzt werden. Dadurch schmilzt das Kunststoffgranulat – das Material wird plastisch („plastifiziert“). Eine sich drehende Schnecke durchmischt den Kunststoff und treibt ihn vorwärts, bis er schließlich in die vorbereitete Form gepresst werden kann. Dort erkaltet und erstarrt der Thermoplast-Kunststoff. Die Kunst besteht vor allem darin, den Hohlraum der Form vollständig mit Kunststoff zu füllen, sodass das entstandene Teil exakt die gewünschten Maße und eine makellose Oberfläche aufweist.

Spritzguss-Teile in der Automobil-Industrie

Keine andere Branche benötigt so viele Spritzguss-Kunststoffe wie die Automobilherstellung. Dabei kommen, je nach gewünschter Materialeigenschaft, verschiedene Kunststoffe zum Einsatz. Polypropylen ist besonders leicht und belastbar, wird unter anderem für Armaturen und Autostoßdämpfer verwendet. Haupteinsatzgebiet ist aber die Verpackungsindustrie. Das transparente Polycarbonat ist ein idealer Glas-Ersatz, zum Beispiel für Autoscheinwerfer. Moderne Automobile besitzen innen wie außen zahlreiche Spritzguss-Teile – von der Bodenschiene bis zur Heckverkleidung, vom Handschuhfach bis zum Luftschlitz.