Irrwege des Erfindergeistes

Zuweilen liest sich die Geschichte der Erfindungen so, als ob alle guten Ideen zwangsläufig aufeinander folgten – wie eine logische Perlenkette. In Wahrheit sind auch die Pfade des menschlichen Erfindergeistes voller Irrwege und Sackgassen. Manche Technik ist nutzlos, andere einfach skurril, gelegentlich sogar lebensgefährlich.

Wir stellen Ihnen eine Auswahl von Ideen vor, die nach unserer Ansicht im Praxistest versagt haben. Für Anregungen bedanken wir uns beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel.

Aus urheberrechtlichen Gründen können wir leider nicht zu allen Erfindungen historische Fotos veröffentlichen.

Unendlichkeitsmaschine – Erfinder: um 1500 Leonardo da Vinci

Eine technische Spielerei ist die Unendlichkeitsmaschine, die bereits der große Gelehrte Leonardo da Vinci zeichnete, aber nicht selbst konstruierte. Sie soll Begriffe wie Unendlichkeit oder Ewigkeit symbolisieren und ist daher ein beliebtes Exponat in Technikmuseen. Unendlichkeitsmaschinen sind nichts anderes als eine Folge von vielen Zahnrädern, die zu einem Getriebe verbunden sind. Jedes Zahnrad hat eine feste Untersetzung zu dem nächsten Zahnrad, sodass sich das erste Rad noch sehr schnell dreht und alle folgenden immer langsamer. Ab dem fünften oder sechsten Zahnrad wird die Bewegung so langsam, dass man sie nicht mit bloßem Auge wahrnehmen kann. Da steht der Betrachter also vor einem halb still stehenden Mechanismus und sagt: Wahnsinn!

Ornithopter von Edward Frost (1902) – Lizenz Public Domain

Ornithopter – Erfinder: u.a. 1870 Gustave Trouvé

Wie ein Vogel zu fliegen – das war zugleich ein Menschheitstraum und ein falscher technischer Ansatz. Im 19. Jahrhundert waren voll allem zwei Ideen weit verbreitet: Während die einen glaubten, der Mensch werde sich niemals in die Luft erheben können, konstruierten manche Erfinder wie der Franzose Gustave Trouvé Flugmaschinen, die möglichst exakt die Vogelschwingen nachahmen sollten. Die besondere Kraft des Auftriebs, der bei starren Flügeln wirkt, hatten Trouvé und seine Zeitgenossen noch nicht verstanden. Wirklich flugtaugliche, aber unbemannte Ornithopter, sind erst im heutigen Zeitalter der Ultraleichtmaterialien möglich geworden.

Kugelmotor (Äthermaschine) – 1872 John Keely

Der Kugelmotor des US-Amerikaners John Keely war eine wirklich erstaunliche Maschine. Schließlich wurde sie von einem Hauch von Nichts angetrieben – vom so genannten Äther. Der Äther war in der wissenschaftlichen Vorstellung des 19. Jahrhunderts das Trägermedium des Lichts. Leider brachten spätere Experimente ans Licht, dass so etwas wie Äther überhaupt nicht existiert. Keelys Äther-Maschine war genauso eine Betrügerei wie die zahlreichen weiteren Motoren, die er angeblich konstruierte und die fast ohne Treibstoff auskommen sollten. Geräte wie die Vaku-Maschine, die mittels „Desintegration von Wasser“ funktionieren sollten, waren lediglich rhetorische Geniestreiche. Aus heutiger Sicht ist kaum erklärbar, wie der offenbar charismatische Hochstapler rund fünf Millionen Dollar von Geldgebern ergaunern konnte und ein Vierteljahrhundert (bis nach seinem Tod) unenttarnt blieb.

Optogramm – Entdecker: 1876 Franz Boll

Gelegentlich kann Medizin auch esoterische Züge annehmen. Wohl schon im 17. Jahrhundert faszinierte die Menschen die Idee, man könne im Auge eines Toten das letzte Bild erkennen, das er als Lebender sah. Was sich wie kompletter Humbug anhört, ist unter gewissen Umständen tatsächlich möglich: Der deutsche Physiologe Franz Boll entdeckte 1876 ein solches „Optogramm“ bei einem Kaninchen. Das virtuelle Bild kann auf der Netzhaut entstehen, wenn sie für einige Zeit mit Licht bestrahlt wird. Seither bemühten sich Mediziner, aber auch Kriminologen, Optogramme bei Menschen nachzuweisen und zu erhalten. Vielleicht hat ja das Mordopfer den Täter im Blick fixiert? Stand der Forschung ist allerdings, dass Optogramme völlig unscharf sind und zu überhaupt nichts taugen. Und das ist wohl auch gut so.

By unbekannt 1910 [Public domain], via Wikimedia Commons

Amphibienfahrrad – Erfinder: 1910 Alfred Baumgartner

Schiffe können auf dem Wasser fahren, manche Flugzeuge schaffen dies auch. Sogar einzelne Autos sind wassertauglich. Aber Fahrräder? Tatsächlich entwickelte der Deutsche Alfred Baumgartner im Jahr 1910 das erste Amphibienfahrrad. Rund 20 Kilometer hat es bei einer Vorführung auf dem Rhein zurückgelegt. Bis in die Gegenwart gibt es immer wieder neue Konstruktionen von Fahrrädern, die mittels diverser Pontons schwimmtauglich gemacht werden. Hier steht vermutlich der erfinderische Sportsgeist im Vordergrund gegenüber dem praktischen Nutzwert. Die Verkaufszahlen der Amphibienfahrräder dürften sich jedenfalls in Grenzen halten.

Rettungsanzug – Erfinder: 1912 Franz Reichelt

Wie es Superman getan hätte, wollte der österreichische Schneider Franz Reichelt vom Eiffelturm springen und unbeschadet auf der Pariser Erde landen. Aber leider war sein selbst genähter „Rettungsanzug“, den er zu dieser Demonstration trug, eine völlige Fehlkonstruktion. Statt sanftem Gleitflug stürzte Reichelt ungebremst zu Boden und war sofort tot. Völlig unklar ist, warum Reichelt seinen Anzug ohne ausreichende Tests gleich am Eiffelturm vorführen musste. Er war so überzeugt von seiner Erfindung, dass er Reporter zu seinem Sprung einlud, die seinen Todessturz filmten. Der fallschirmähnliche Anzug hätte nach dem Plan des Schneiders später als Rettungssystem für Piloten diesen sollen.

Kopfgalvanisator – Erfinder: 1912 Dr. Aub

Kopfschmerzen? Mentale Erschöpfung? Dagegen sollte im Jahr 1912 der Kopfgalvanisator helfen. Der Münchener Nervenarzt Dr. Aub hatte sich eine Apparatur ausgedacht, mit der man versuchen konnte – eine Elektrode an die rechte Schläfe, eine an die linke Schläfe – das eigene Hirn unter Strom zu setzen. Diese rabiate Methode sollte, so hoffte man seinerzeit, „entladene“ Nerven wieder in Schwung bringen. Ein „Elektrosan-Institut“ vertrieb den Kopfgalvanisator offenbar an Not leidende und wagemutige Privatpersonen.

Radon-Emanator – Erfinder: 1928 H.R. Zimmer

Eine medizinische Anwendung der besonderen Art bot auch der Radon-Emanator (oder Radium-Emanator): Das wahrscheinlich 1928 entwickelte Gerät diente dazu Wasser mit dem Edelgas Radon anzureichern. Der US-amerikanische Erfinder H.R. Zimmer versprach den Anwendern ein 15 Jahre längeres Leben. Ganz schön vollmundig, wenn man bedenkt, dass Radon radioaktiv ist – mit allen unangenehmen Konsequenzen für die menschliche Gesundheit. Die ahnungslosen Verbraucher griffen dennoch beim Emanator zu und freuten sich auf ihre „Radiumkur“. Radioaktive Materialien galten damals als modern und waren so populär, dass in Schokolade verarbeitet und zur (häufig Tod bringenden) Körperenthaarung eingesetzt wurden.

Dynasphere – Erfinder: 1930 John Archibald Purves

Im englischen Seebad Weston-super-Mare konnten Strandbesuche in den 1930er-Jahren gefährlich werden. Denn manchmal donnerte hier ein „Dynasphere“ auf Testfahrt über den Sand. Das Dynasphere war ein motorbetriebenes Einrad mit drei Metern Durchmesser – eine Art riesiger, bis zu 50 Stundenkilometer schneller Reifen. Der Fahrer hatte seinen Platz innerhalb des Reifens und versuchte das Monstrum von hier auf Kurs zu halten, was laut Augenzeugen-Berichten aber kaum gelang. Zugegeben: Auch über das erste Automobil wurde kräftig gespottet, und außerdem gibt es heute kleinere „Monowheels“, die dem Dynasphere durchaus ähneln. Aber wenigstens in den Maßstäben dachte Erfinder John Archibald Purves deutlich zu „großspurig“.

Nähmaschinen-Fahrrad – Erfinder: 1938 Charles Steinlauf

Ein Fahrrad, das Platz für vier Menschen und eine Nähmaschine bietet? Gibt’s nicht? Gibt’s doch! Der US-Amerikaner Charles Steinlauf hat es 1938 in Chikago erfunden. Die Nähmaschine bildete das Zentrum einer zirkustauglichen Konstruktion, die den Radfahrern akrobatische Fähigkeiten abverlangte. Nur an der Nähmaschine konnte die Hausfrau ganz gemütlich sitzen und arbeiten – jedenfalls bis zum baldigen Unfall. Es ist allerdings davon auszugehen, dass Erfinder Steinlauf durchaus wusste, dass sein Fahrrad eine schrullige Idee und nicht alltagstauglich war.

Antonov A40 – Lizenz Public Domain

Flugpanzer – Erfinder: 1942 Sowjetunion

Warum mit den Panzern mühsam auf dem Boden fahren, wenn man auch fliegen kann? Das fragten sich augenscheinlich sowjetische Militärs im zweiten Weltkrieg. Also ließen sie einen Panzer des Modells T-60 an ein Doppeldecker-Flugwerk hängen. Insgesamt wog das Kriegsgerät rund acht Tonnen. Die Berichte über angebliche Testflüge sind etwas widersprüchlich. Die glaubhafteste Variante ist aber, dass der „Antonov A-40“ getaufte Flugpanzer alles Mögliche konnte – nur nicht fliegen.

Windkanone – Erfinder: 1945 Deutsches Reich

Als im zweiten Weltkrieg der deutsche Endsieg zur Illusion wurde, haben die Waffeningenieure des Reiches selbst vor den abstrusesten Ideen nicht zurückgeschreckt. Eine von ihnen war eine Art Windkanone: Die Wucht einer Knallgasexplosion (also eine Detonation von Wasserstoff und Sauerstoff) sollte gegen feindliche Tiefflieger gerichtet werden. Zu diesem Zweck hatte man ein spitz zulaufendes Rohr gen Himmel gerichtet, das den Druck kanalisieren sollte. Schon die Tests verliefen katastrophal. Schließlich entpuppte sich die ganze Waffe als völliger Rohrkrepierer.

Propeller-Suppenlöffel – Erfindung von 1948

Was macht man, wenn eine Suppe nicht mundet, aber man den Koch oder die Köchin nicht verärgern will? Richtig: Man nimmt einen Suppenlöffel mit Propeller und gibt vor, die Suppe mittels Luftfächelung abkühlen zu wollen. In Wahrheit vertreibt der Propeller aber die missfallenden Suppengerüche. Dieses psychatriereife Kalkül soll der unbekannte Erfinder des elektrisch betriebenen Propeller-Suppenlöffels tatsächlich gehabt haben. Abgesehen von der skurilen Herleitung: Warum einfaches Pusten nicht denselben, gewünschten Effekt hat, wird des Erfinders Geheimnis bleiben.